Was ist ein Glioblastom

 

Das Glioblastom ist der häufigste bösartige hirneigene Tumor bei Erwachsenen. Das Glioblastom weist feingewebliche Ähnlichkeiten mit den Gliazellen des Gehirns auf und wird aufgrund der sehr schlechten Prognose nach der WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems als Grad IV eingestuft. Die Behandlung besteht in operativer Reduktion der Tumormasse, Bestrahlung und Chemotherapie. Eine endgültige Heilung kann derzeit nicht erreicht werden. Die mittlere Überlebenszeit liegt in der Größenordnung von Monaten, manche Erkrankte überleben länger, nur wenige jedoch mehrere Jahre.
WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems
Die WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems ist eine weltweit gebräuchliche und allgemein anerkannte Klassifikation der Hirntumoren der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das histologische Gradierungsschema der WHO-Klassifikation ermöglicht über verschiedene Tumorentitäten hinweg eine gewisse Voraussage über das biologische Verhalten eines Hirntumors. Im klinischen Kontext kommt dem Tumorgrad eine wesentliche Bedeutung bei der Entscheidung zu einer adjuvanten Chemo- oder Strahlentherapie zu.
WHO Grad I bezeichnet histologisch gutartige Tumoren, die durch eine operative Entfernung üblicherweise geheilt werden können, zum Beispiel Neurinom oder pilozytisches Astrozytom
WHO Grad II bezeichnet histologisch gutartige, jedoch häufig infiltrativ wachsende Tumoren, die zu Rezidiven neigen, ohne jedoch die Überlebenszeit wesentlich einzuschränken (zum Beispiel Astrozytom)
WHO Grad III bezeichnet histologisch bösartige Tumoren, die mit einer Reduktion der Überlebenszeit einher gehen (zum Beispiel anaplastisches Astrozytom)
WHO Grad IV bezeichnet äußerst bösartige Tumoren, die mit einer deutlichen Reduktion der Überlebenszeit einher gehen, sofern keine effektive Behandlung zur Verfügung steht (zum Beispiel Glioblastom)
Der WHO-Grad stellt lediglich eine Komponente unter einer Vielzahl von Kriterien dar, die letztendlich die Prognose eines Hirntumors beeinflussen. Andere wichtige Faktoren sind unter anderem die Lokalisation des Tumors, die Möglichkeit seiner vollständigen neurochirurgischen Entfernung, das Ansprechen des Tumors auf Chemo- und Strahlentherapie sowie auch das Alter des Patienten.
Krankheitsentstehung
Glioblastome können völlig neu oder durch fortschreitende Entdifferenzierung aus weniger bösartigen Astrozytomen entstehen. Daher kommt es nicht selten vor, dass therapierte Astrozytome sich im Rezidiv als Glioblastom manifestieren. Diese sogenannten sekundären Glioblastome treten eher bei jüngeren Patienten auf und haben ein anderes Spektrum genetischer Veränderungen als neuentstandene.
Lokalisation
Das Glioblastom geht von der weißen Substanz aus. Seine mit Abstand häufigste Lokalisation ist das Großhirn, wo es in allen Hirnlappen entstehen kann, aber den Frontal- und den Temporallappen bevorzugt. Im Bereich von Kleinhirn, Hirnstamm und Rückenmark sind Glioblastome selten. Oft wachsen hemisphärielle Glioblastome über den Balken auf die andere Seite hinüber. Solche Tumoren werden als sogenannte „Schmetterlingsgliome“ bezeichnet. Das Wachstum von Glioblastomen ist diffus infiltrierend.
Klinische Erscheinungen
Wegen des raschen Wachstums entwickeln sich die Beschwerden meistens rasch innerhalb weniger Wochen bis Monate. Erste Symptome können anhaltende und ungewohnte Kopfschmerzen, aber auch neu auftretende epileptische Anfälle sein. Fokale neurologische Ausfälle wie Lähmungen, Aphasien und Sehstörungen können lokalisationsabhängig hinzukommen. Schließlich sind es oft auffällige Persönlichkeitsveränderungen, Apathie oder psychomotorische Verlangsamung, die den Patienten zum Arzt führen. Hirndruckzeichen wie Stauungspapille, Erbrechen, Somnolenz und Koma treten spät auf und sind prognostisch ungünstig.
Untersuchungsmethoden
Die Diagnose wird zunächst durch bildgebende Verfahren wie Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) gestützt. In der CT-Bildgebung mit Kontrastmittel erscheint das Glioblastom unregelmäßig geformt mit randständig starker Kontrastmittelaufnahme. In der Umgebung des Tumors bildet sich typischerweise ein erhebliches Ödem aus. Der MRT-Befund ist recht typisch: die soliden Anteile des Glioblastoms reichern Kontrastmittel stark an, dagegen heben sich die Aussparungen durch zystische Anteile und die Blutungen ab. Letztendlich wird die Diagnose am Tumorgewebe, das bei einer stereotaktischen Hirnbiopsie oder Tumorresektion gewonnen wurde, neuropathologisch bestätigt.
Behandlung
Eine kurzfristige klinische Besserung kann durch Behandlung des praktisch immer vorhandenen perifokalen Hirnödems mit Dexamethason erreicht werden. Die neurochirurgische Operation mit Verminderung (Tumorreduktion) der Hauptmasse des Tumors kann das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen, aber nicht dauerhaft verhindern, da praktisch immer einzelne Tumorzellen das gesunde Gehirngewebe schon infiltrativ durchwandert haben und deswegen eine vollständige Tumorentfernung nicht möglich ist. Zur Verlängerung der rezidiv freien und absoluten Überlebenszeit schließt sich deswegen an die Operation praktisch immer eine Bestrahlung und häufig auch eine Chemotherapie an, wobei insbesondere Patienten mit Nachweis epigenetischer Veränderungen (Hypermethylierung) des Promotors des DNA-Reparaturenzyms O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (MGMT) von einer Chemotherapie mit Temozolomid profitieren.
Prognose
Das Glioblastom ist äußerst schwierig zu behandeln. Eine endgültige Heilung ist bislang nicht möglich. Die optimale medizinische Behandlung mit Operation sowie nachfolgender Bestrahlung und Chemotherapie kann nach aktueller Studienlage die mittlere Überlebenszeit um einige Monate verlängern und die Symptome lindern.
keine Therapie: 3-6 Monate
bei multimodalen Therapieansatz: 9-15 Monate
20% der Patienten überleben: 18 Monate
4% der Patienten überleben: 5 Jahre
 
Eine Studie aus dem Jahr 2003 unterteilt die Prognose in drei Gruppen in Abhängigkeit zum Alter des Patienten, der Art der Behandlung und des Karnofsky-Indexes. Wegen der diffusen Infiltration des Hirngewebes durch Tumorzellen kommt es nach der Behandlung häufig innerhalb von Monaten zu einem Rezidiv. Einzelne Patienten können dessen ungeachtet mehrere Jahre bei relativ guter Gesundheit mit einem Glioblastom leben. Die Identifizierung klinischer und molekularer Faktoren, die charakteristisch für solche Langzeitüberlebenden sind, ist Gegenstand intensiver Forschung.
Karnofsky-Index
Der Karnofsky-Index ist eine Skala, mit der symptombezogene Einschränkung der Aktivität, Selbstversorgung und Selbstbestimmung bei Patienten mit bösartigen Tumoren bewertet werden können.
100 %
Keine Beschwerden, keine Zeichen der Krankheit.
90 %
Fähig zu normaler Aktivität, kaum oder geringe Symptome.
80 %
Normale Aktivität mit Anstrengung möglich. Deutliche Symptome.
70 %
Selbstversorgung. Normale Aktivität oder Arbeit nicht möglich.
60 %
Einige Hilfestellung nötig, selbständig in den meisten Bereichen.
50 %
Hilfe und medizinische Versorgung wird oft in Anspruch genommen.
40 %
Behindert. Qualifizierte Hilfe benötigt.
30 %
Schwerbehindert. Hospitalisation erforderlich.
20 %
Schwerkrank. Intensive medizinische Maßnahmen erforderlich.
10 %
Moribund. Unaufhaltsamer körperlicher Verfall.
0 %
 Tod.
 
Wissenswertes über Glioblastom-Patienten
 
~      Glioblastom-Patienten sind Notfallpatienten, hierzu sind zügige Therapieentscheidungen gefordert
~      jeder Glioblastom-Patient sollte an einer klinischen Studie teilnehmen
~      erhöhtes Thromboserisiko bei Glioblastom
~      ein Glioblastom schwächt das Immunsystem, daher versuchen Infektionen zu vermeiden
~      Hausarzt muss ins Therapiekonzept einbezogen werden
~      Information und Vorsorge treffen, Patientenratgeber bestellen
~      regelmäßige Blutbild-Laborkontrollen unter Chemotherapie durchführen lassen
~      CT-Kontrolle ist nicht ausreichend, da das MRT effektiver ist
~      MRT-Kontrollen alle 8 Wochen durchführen lassen
~      sofortiger Wechsel der Therapiekombination bei Rezidiven
~       auch das Tumor-Rezidive können erfolgreich behandeln werden, ggf. Strahlentherapie als stereotaktische Einheit
~      ambulante Strahlen- und Chemotherapie anstreben, da Klinikaufenthalte meist nicht nötig sind
~      generelle Prophylaxe mit Antiepileptika ist bei Gliomen nicht indiziert
~      Antiepileptika können Serumspiegel der Zytostatika beeinflussen
~      eine individuell abgestimmte Ödemtherapie ist nötig
~      Risiko ossärer Nebenwirkungen bei Dexamethason
~      bessere Lebensqualität durch optimale Ödemtherapie
~      der Patient sollte psychologisch betreut werden
~      psychologische Betreuung und Schulung der Angehörigen
~      das private Umfeld muss den Patienten unterstützen

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